Der Einstieg in Dolby Atmos

Als Semesterprojekt der Masterklasse Audio Design war die Aufgabe Spatial Audio zu nutzen. Für den Serienpiloten „Drei Schätze“ war damit klar, dass Magdalena Müller und ich uns einmal an Dolby Atmos versuchen möchten und die Serie als Dolby Atmos-Mischung produzieren. Aber wie läuft das eigentlich ab? Was gilt es zu beachten und wie kann man Atmos zu seinem Vorteil nutzen?

Die Produktion

In unserem Workflow haben wir den Set-Ton nicht anders aufgenommen, als wenn man einen Stereo- oder 5.1-Mix machen würde: Lavaliermikrofone für die Personen, ein Richtrohrmikrofon inklusive Raum-Atmos und Impulsantworten für alle Fälle. Als die Schnittdateien angeliefert worden sind, waren die ganzen Monospuren da. Selbst von Stereo fehlte jede Spur. Der Surround-Sound musste erst noch geschaffen werden.

Dolby Atmos Renderer

Dolby Atmos im Allgemeinen

Viele haben sicher schon von Dolby Atmos gehört. Spätestens im Kino merkt man es, weil der Ticketpreis einen Aufschlag beinhaltet. Dolby Atmos bietet die Möglichkeit nicht nur ein statisches 7.1.2-Bed zu haben, sondern auch Objekte dynamisch bewegen zu können. Dabei bricht man aus dem Kanal-basierten Konzept aus und nützt jeden einzelnen Lautsprecher im Raum. Vor allem in größeren Kinos bleibt es schließlich nicht bei 7.1.2: 7 Lautsprecher in der 2D-Ebenede (links, rechts, mittig, links hinten, rechts hinten und links sowie rechts seitlich), ein Subwoofer und zwei an der Decke. Doch ein Kanal für z.B. die linke Seite heißt nicht ein Lautsprecher. Um den Sweet-Spot zu erweitern, kann es mehrere Lautsprecher für einen Kanal geben und die lassen sich nur mit Dolby Atmos einzeln ansprechen. Grob gesagt ist das der Hauptverkaufspunkt von Dolby Atmos und der größte Mehrwert.

Dolby Atmos nutzt ein 7.1.2-Bed der kanalbasiert arbeitet und bietet 128 Spuren (-10 für die Bed-Kanäle) für 118 Objekte, die gleichzeitig wiedergegeben werden können. Dabei sind nur einzelne Klänge als Objekt in der Mischung und der Rest im Bed darunter.

Das Set-Up für Dolby Atmos-Mischungen

Zuerst gibt es zwei Möglichkeiten des Set-Ups: Die Dolby Bridge oder Send and Return-Plug-Ins. Die Bridge bietet die Kompatibilität zwischen verschiedenen Studios und macht das Set-Up von ProTools sehr einfach, da nur die Dolby Bridge konfiguriert werden muss und ProTools alles direkt an die Bridge schickt. Das bietet sehr viele Vorteile, war aber für unsere Produktion nicht hilfreich: Wir haben keine RMU was bedeutet, dass wir kein Dolby Atmos-Masterfile exportieren können. Das heißt das Projekt kann im Studio in Atmos wiedergegeben, aber nicht als Datei gespeichert werden. Damit wir von 7.1.2 mit Objekten auf 7.1.2, 7.1, 5.1 oder Stereo kommen, müssen wir Re-Renders machen. Das bedeutet alles einmal in Echtzeit abspielen und erneut in der Session aufnehmen. Da die Dolby Bridge leider keine Inputs unterstützt, ist das nicht möglich. Das geht nur mit den Send and Return-Plug-Ins auf die wir dann umgestiegen sind.

Im Dolby Atmos Renderer gilt es einmal alles einzustellen, wie z.B. das Audio-Interface, die Kanäle, die Lautsprecher und die Re-Render-Kanalspuren. Dann kann man sich an die ProTools-Session herantrauen. Dolby bietet sehr gute Templates an, von denen man einfach weiterarbeiten kann. Wenn man einen 7.1.2-AUX-Master angelegt hat (AUX-Master, kein echter Master), kann dieser mit einem Send-Plug-In an den Dolby Atmos Renderer geschickt werden. Der ProTools-Ausgang dieser Spur landet einfach auf einem Nirvana-Bus, weil ProTools sonst meckert. Jetzt bekommt der Atmos Renderer ein Signal. Aber wie hört man das jetzt?

Nun brauchen wir einen 7.1.2-Return-AUX, der das Return-Plug-In drinnen hat. Hier muss der Input aus dem Nirvana kommen – der sollte aber lieber ein anderer AUX-Kanal sein als der Nirvana-Output, da wir sonst mit viel Pech Rückkopplungen erzeugen könnten) – und der Ausgang auf die Abhöre damit was aus den Lautsprechern kommt. Und das soll es schon gewesen sein. Klingt einfach, war es bei uns aber nicht.

Denn wichtig zu wissen ist, dass bei den 7.1.2-Plug-Ins die ganzen Kanäle nicht gelinkt werden dürfen, sondern zuerst L (für links) mit z.B. Kanal 1 aus Atmos, dann R mit Kanal 2 aus Atmos etc. verlinkt werden muss. Dabei wählt man zuerst den Kanal aus, wie z.B. L, dann den Atmos-Kanal im Plug-In und dasselbe noch einmal mit R, C und allen anderen Kanälen. Diese schrittweise verlinken ist schwierig herauszufinden wenn man sich damit noch nie beschäftigt hat. Man verlinkt die Kanäle also einzeln. Auch wenn man aktiv im Plug-In immer nur den aktiv veränderbaren sieht, merkt sich das Plug-In die Auswahl und die Kanäle bleiben verlinkt. Versteht man das Prinzip, ist das Verwenden des Send and Return-Plug-Ins sehr einfach. Ich empfehle zudem sich ein Konzept für das Routing zu überlegen. Man endet zwangsläufig bei 100+ Spuren und benötigt ein System.

Objektspuren muss man dementsprechend bei den Bussen definieren und schickt diese Spur mit einem Send dann an einen eigenen AUX, der die Objektmetadaten an den Atmos Renderer weitergibt. Beide Spuren müssen permanent aktiv bleiben, da sonst dieses Objekt nicht funktioniert. Das Panning von Objekten ist aber nicht anders zum Panning im Bed.

Zu beachten ist, dass alle Lautsprecher auch korrekt eingepegelt werden müssen. Die Front-Lautsprecher bei 85 dB(C) bei rosa Rauschen bei -20 dBFS RMS, die Surround- und Decken-Lautsprecher bei 82 dB(C). Beim LFE-Subwoofer noch einen High-Cut bei 80–120 Hz hineingeben und darauf achten, dass er auf +10 dB eingestellt ist. Der Pegel sollte dabei bei den Lautsprechern eingestellt werden. Nur in der Software zu verändern, kann mit viel Pech zu bösen Überraschungen führen. Wenn der Pegel bei allen Lautsprechern passt, sollte die Abhörlautstärke unbedingt vorher eingestellt und nicht mehr berührt werden. Ansonsten kann man sich die gesamte Mischung verhauen.

Unser Routing-System

Unser Routing-System war wie folgt (pro Raum):

  • Dialog
    • ↓ Dialogspur(en)
    • ↓ Dialog-Sammelspur für den Raum | ↓ Reverb
    • ↓ Dialog-Stem
    • ↓ 7.1.2-AUX-Master
  • Foley/SFX
    • ↓ Foley-/SFX-Spur(en) | ↓ Reverb als Send auf bestimmten Tracks
    • ↓ Foley-/SFX-Sammelspur für den Raum
    • ↓ Foley-/SFX-Stem
    • ↓ 7.1.2-AUX-Master
  • Dialog
    • ↓ Musikspur(en) | ↓ Reverb als Send auf diegetischer Musik
    • ↓ Musik-Sammelspur für den Raum
    • ↓ Musik-Stem
    • ↓ 7.1.2-AUX-Master

Für jeden Raum gilt dasselbe Prinzip und jeder Raum hat bei uns eine eigene Farbe bekommen. Objekte gehen am Ende ebenfalls in den richtigen Stem, da diese sonst beim Re-Recording verloren gehen könnten. Den Routingplan zu erstellen dauert länger als gedacht. Bis alles so funktioniert wie man es möchte, vergehen doch mehrere Stunden. Aber wenn das passt, dann hat man das Fundament für die weitere Arbeit.

ProTools-Session

Die Dolby Atmos-Mischung

Nachdem die Sprache bei Serien und Filmen das Wichtigste ist, haben wir damit begonnen. Vorausgesetzt dass alle Spuren schon an den richtigen Stellen sind und fertig geschnitten, geht es ans Pegeln der Stimmen und dann der Foley-/SFX-Geräuschen, damit alle Klänge in ihrer Gruppe gleich laut sind. Dann haben wir mit dem Panoramisieren begonnen. Sprache bleibt bei uns hauptsächlich im Center. Wir haben aber je nach Bildposition der Person ganz leicht nach links/rechts panoramisiert (meist ±5, ab und zu höchsten ±20). Andere Klänge haben wir immer so gut wie möglich im Raum platziert. Dabei merkt man, dass wenn ein Klang nicht ganz am Rand ist, die Lautsprecher beider Seiten spielen und ggf. etwas irritieren können. Wo es geht, haben wir daher die Klänge eher am Rand als der Mitte des Raumes positioniert. Bei einigen SFX haben wir die Size erhöht. Das bringt ein ziemliches Volumen in den Raum, kann aber zu komischen Phasenproblemen führen, da dann mehrere oder sogar alle Lautsprecher gleichzeitig spielen. Daher würde ich sie nur sehr vorsichtig benutzen. Lampensurren und Restaurantmusik haben wir einfach an die Decke gegeben.

Die Objekte mitzufahren gestaltet sich manchmal schwierig: Ist es zu extrem, fühlt es sich falsch an, bewegt man zu wenig hat man das Gefühl, dass sich nichts bewegt. Man muss immer einen Mittelwert schaffen bei dem die Bewegung nicht stört und gleichzeitig angenehm und eindrucksvoll ist. Vor allem Geräusche, die im Bild nicht zu sehen sind, muss man sich erst einmal überlegen, die Szene analysieren und dementsprechend akustisch erweitern. Erst danach haben wir das Sprach-Processing gemacht: EQ, Compressor und ggf. Limiter.

Wenn man dazwischen Test-Screenings mit unbeteiligten oder unabhängigen Personen machen kann, kommt man vielleicht auch noch auf einige Probleme, die man selbst schon gar nicht mehr wahrnimmt. Dabei ist bei manchen Szenen die Sprache zu sehr untergegangen obwohl wir beide als TontechnikerIn nichts auszusetzen gehabt haben. Hört man ein Projekt aber 10, 20 oder 50 mal, dann kann man schnell betriebsblind werden und verliert das Gefühl wie es ist, wenn man Texte und Sprache zum ersten Mal hört. Im Kopf kann man dann den Text auswendig und braucht ihn nicht mehr verstehen, aber Unbeteiligte tun sich dann schwer. Daher mein Tipp: Wenn möglich Test-Screenings machen.

Von Dolby Atmos zu 7.1.2, 7.1, 5.1 oder 2.0

Nun hat man einen fertigen Dolby Atmos-Mix und möchte nur die Spuren exportieren. Wie kann man das sinnvoll machen? Im Dolby Atmos Renderer kann man Re-Renders aktivieren und von den 128 Spuren welche für Re-Renders belegen. Diese Kanalnummern schicken das downgemixte Signal an ProTools. Indem ein AUX mit 2.0, 5.1, etc. mit einem Return-Plug-In erstellt wird und dieser AUX auf eine Audiospur mit 2.0, 5.1, etc. geht, kann das Re-Render in der Session aufgenommen werden. Dabei ist wichtig, dass das Input-Monitoring NICHT eingeschaltet ist. Mit dieser Methode können auch mehrere Re-Renders gleichzeitig aufgenommen werden, sofern der Dolby Atmos Renderer noch genug Spuren frei hat. Nun heißt es abwarten und Tee trinken: Die ganze Session muss einmal abgespielt werden und dann sind die Re-Renders auch schon in der Session. Allerdings sind sie leicht verzögert und müssen wieder auf die richtige Position geschoben werden.

Dabei hilft ein Piepsgeräusch, das nur einen Frame lang ist und z.B. nach exakt einer und zwei Sekunden mit einem Bildflackern von einem Frame draufliegt. Dadurch kann man die Spuren leicht wieder auf die richtige Position schieben und die Latenz in der Aufnahme korrigieren.

Am Ende kann man die Spuren auswählen und mit CMD + ALT + K in ProTools exportieren. Nun kann man die Spuren entweder summiert als eine WAV-Datei speichern oder jeden Kanal als eigene WAV-Datei um sie weiter verarbeiten zu können. Und so kommt man leicht von Dolby Atmos auf geringere Surround-Systeme.

Wenn man im Dolby Atmos Renderer ein neues Masterfile erzeugt, in dem Renderer auf Aufnahme, dann Play drückt und die ProTools-Session abspielt, nimmt er auch gleich einen Dolby Atmos-Mastertrack auf. Auch hier wieder: abwarten und Tee trinken. Dieser Mastertrack kann dann in unterschiedliche Formate exportiert werden, wie z.B. in ADM BWF oder IMF IAB. Es können damit auch Offline-Re-Renders erzeugt werden.

Natürlich empfiehlt es sich die Mischung auch noch einmal auf anderen Systemen anzuhören. Sei es auf einer 5.1-Anlage daheim, auf einem Fernseher oder auf Kopfhörern. Man muss bedenken, dass die Mischung nicht immer auf super Lautsprechern abgehört wird und man in jedem Fall etwas vom Ton verstehen sollte. Am besten noch einmal kontrollieren und wenn nötig kleinere Korrekturen machen.

Re-Render-Einstellungen

Einige Tipps nebenbei

Wichtig sind Backups der Session zu haben. Vor allem das Zwischenspeichern und die Session zu kopieren kann wichtig werden. Wenn man irgendwas beim Arbeiten kaputt macht, ist sonst wertvolle Arbeitszeit für immer verloren. Aber auch die I/O-Setups und Konfigurationsdateien sollte man speichern, da man sie später wieder importieren kann. Es kann sich schnell etwas im Studio verändern, wenn mehrere Leute dort arbeiten und das kann die ganze Session verändern oder kaputt machen.

Fazit

Dolby Atmos hat viele Möglichkeiten für Audiomischungen im Filmbereich. Es gibt dem/r TontechnikerIn Freiheit gestalterisch mehr machen zu können. Das Setup kann manchmal etwas schwierig sein, sollte aber keine großen Schwierigkeiten bereiten wenn man sich mit 5.1, 7.1 oder 7.1.2 auskennt. Es erweitert das Bed mit Objekten, was auch der Hauptverkaufspunkt für Dolby Atmos-Mischungen ist. Das Produzieren mit Atmos macht viel Spaß und erst nach meiner ersten Atmos-Produktion habe ich erkannt, wie viel mehr Potential in diesem Workflow steckt. Sounds sind nicht mehr nur vorne und ein bisschen hinten, sondern können einen umgeben. Jede Szene fühlt sich plötzlich dynamischer an und lebendiger als zuvor. Die wahren Vorteile nimmt man erst wahr, wenn man sie erlebt hat.

Für mich war Drei Schätze ein spannendes Projekt und ein Testgelände für das Erforschen von Surround- und Atmos-Mischungen. Ich konnte viel durch den Serienpiloten lernen und bin stolz darauf zusammen mit Magdalena Müller die gesamte Pilotfolge vertont zu haben.

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